19.09.2004, Paralympics Athen
Olympische Spiele der Leidenschaft und der Rekorde
Henry Wanyoike aus Kenia laeuft Fabel-Weltrekord zu Gold
Athen 19.09.2004 Unter dem Jubel Tausender Fans herrscht im Olympic
Stadion von Athen Rekord-Stimmung. Befluegelte Sportlerinnen und
Sportler fliegen mit mit den ihrem Handicap entsprechenden
Fuehrungsleuten oder Sportgeraeten ueber die Laufbahn. Alle paar
Minuten ein Bewerb. Um 19.35 Uhr dann die Koenigsdiziplin fuer blinde
Maenner
Ueber 10.000 Meter geht Henry Wanyoike als Favorit an den Start.
Sportlich gilt es, seinen eigenen Weltrekord von Lille aus dem Jahr
2002 yu brechen. Seine persoenliche Mission gilt den blinden Menschen
in den Entwicklungslaendern.
Die Laeufer nehmen unter tosendem Applaus ihre Startposition ein. Dann
absolutes Schweigen dreissig Sekunden vor dem Startschuss. Mit dem
lauten Knall reisst es die blinden Laeufer und ihre blinden
Fuehrungsleute auf die Laufbahn, und die Zuschauer von den Sitzen. Den
Start verpatzen Henry Wanyoike und sein Begleitlaeufer Joseph komplett.
Es scheint, dass Henry verzweifelt nach dem Fuehrungsband sucht, das
die Handgelenke der beiden Kenianer verbindet. Sie gehen als Letzte ins
Rennen.
Doch nach der ersten der insgesamt 25 Runden im Olumpic Stadion, liegen
die beiden bereits 30 Meter voraus. Sie sind eine Klasse fuer sich.
Nach der dritten Runde betraegt der Vorsprung 200 Meter, in Runde sechs
beginnen sie, das gesamte Feld zu ueberrunden. Nun versteht man auch
die Notwendigkeit der zehn Kampfrichter, die, aufgefaedelt in
dunkelblauen Anzuegen sitzend, alle Laeufer im Auge halten und die
Runden zaehlen muessen. Spannend wird fuer Henry die Leistung seines
Fuehrungsmannes Joseph.
Henrys Ergebnis haengt wesentlich von ihm ab. Und bei den
paralympischen Bewerben in Sydney im Jahr 2000 wurde er im Stich
gelassen, konnte im Finish nur muehsam durch die Zurufe des Publikums
seinen Guide schleppend ins Ziel finden. Deshalb hat Henry Wanyoike
heute einen Ersatzmann an der Laufbahn. Doch ein Wechsel kostet Zeit,
und die will Henry nicht verschenken. Kein Wunder, moechte er doch
heute seinen eigenen Weltrekord von 32.34.31 ueber die 10.000 Meter
brechen.
Wanyoike will den Rekord brechen und Gold holen. Fuer sein Heimatland
Kenia und fuer Oesterreich. beide Laender sind durch eine Partnerschaft
verbunden, die ihm nach der Erblindung neue Lebensperspektiven
geschenkt hat. Henry Wanyoike ist Botschafter der oesterreichischen
Hilfsorganisation LICHT FUER DIE WELT, er setzt sich gemeinsam mit ihr
fuer blinde Menschen in Entwicklungslaendern ein. Und eine Goldmedaille
wird ihm rund um den Globus Gehoer verschaffen, das weiss er...
Noch in Runde 15 hat Henry die Kraft, alle 400 Meter die Hand zu heben
und seinerseits das Publikum um Anfeuerung zu bitten. Dieses reagiert
spontan mit tosendem Applaus und der Welle. Im Finish ist alles klar,
Wanyoike und Joseph haben mittlerweile das gesamte Feld ueberrundet.
Gold ist gesichert, doch nun geht es um den Weltrekord. Joseph haelt
durch und es bedarf keines Guide-Wechsels. Der Kampfrichter an der
Ziellinie greift zur Glocke. Es scheint, er denke noch einmal darueber
nach, ob es jetzt schon an der Zeit sei. Ein Blick auf die Anzeige
neben ihm gibt ihm Sicherheit. Er laeutet die Schlussrunde ein, beinahe
alles Menschen im Stadion stehen und wollen das Ihrige zum Weltrekord
beitragen.
Die Beine der beiden Kenianer fliegen immer noch leicht ueber die
Laufbahn, doch in den Gesichtern ist der Schmerz der koerperlichen
Entbehrungen unuebersehbar. Die letzten Meter mit Schwung ueber die
Ziellinie. Gold und Weltrekord in der Zeit von 31.37.27, eine
Verbesserung des Weltrekords um 57,04 Sekunden.
Text Gabiel Mueller aus Athen, LICHT FUER DIE WELT
Fotos Bernhard Kogler, LICHT FUER DIE WELT
Verwendung der Fotos honorarfrei bei Nennung Bernhard Kogler/LICHT FUER DIE WELT im credit |